Am Anfang steht eine Frage: „Ja wo war er denn eigentlich, unser Derbygegner?“
Sicher etwas arrogant gefragt, aber er war schlichtweg nicht auszumachen. Weder auf dem Rasen, noch auf den Rängen, noch sonst wo. Dabei liest es sich aus Kreisen der HSV Szene seit längerem immer wieder so oder so ähnlich: ,,Bremen – nicht derbywürdig!“ Oder, „Do it yourself scheint in Bremen nicht angesagt zu sein“. Wen juckt dies – kennen wir doch alle die Wahrheit. Während der HSV weiter von der Champions League träumt und dessen Szene von sich selbst, wiederholte sich am Samstagnachmittag eine altbekannte Geschichte. So träumen wir wieder einmal vom Derbysieg und vom Abstieg des am Boden liegenden Urgesteins.
Eine Atmosphäre wie am vergangenen Samstag hat uns im Weserstadion so jedenfalls auch noch nicht eingefangen. Natürlich gab es schon viele stimmungsträchtige Spiele, dieses jedoch war anders. Aufgrund der Zahl 100 und der Tabellensituation gab es für viele Bremer in der Stadt nichts wichtigeres, als dieses Spiel. Ein Sieg, nicht mehr und nicht weniger, sollte es sein. Und so kam es dank eines tollen Zusammenspiels aller Akteure auch.
Ein kurzer Rückblick zum Vorgeschehen des 100. Nordderbys: es gab ca. 10 Tage vor dem Spieltag einen offenen Brief, initiiert vom Fanbündnis und mitgetragen vom Dachverband, welcher veröffentlicht und ebenfalls den Spielern überreicht wurde, in dem unter anderem auf die allgemeine sportliche Situation eingegangen wurde. Regelmäßig hingen kleine Hinweise auf das Derby an den Autos der Spieler. In Frankfurt sowie beim Training kurz vor dem 1.März zeigte sich ein „Alles für den Derbysieg“ Banner. Wenig später gab es dann wiederum ein Treffen der Mannschaft mit aktiven Fans unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wo in Kürze die Gefühlswelten in Bezug auf das Derby und die Zeit danach ausgetauscht wurden. Aufkleber und jede Menge Plakate zierten bereits seit längerer Zeit die Wege der Stadt. Auch die Marketingabteilung schlief nicht und schrieb alle Bewohner des Osterdeichs mit der Bitte an, doch ihre Fassaden grün-weiß zu schmücken. Ebenso wurden vom Verein zahlreiche Postkarten, die eigens für das Derby kreiert wurden, in Bars und Kneipen verteilt. Sicherlich gab es noch zahlreiche andere Ideen und Aktivitäten zu verzeichnen vor diesem Tag. Doch das Thema in Gassen, Kneipen, Büros – ja in ganz Bremen und umzu – war unüberhörbar und unübersehbar nur das eine. Das Derby.
Das Ganze verfehlte, wie wir heute wissen, nicht seinen Zweck. Das Team stand kaum auf dem Platz, da wusste bereits jeder, dass dieser Kick nicht nur auf den Rängen einen Sonderstatus genoss. Die Jungs waren kämpferisch und bestimmten das Spiel trotz geringerem Ballbesitz. Die Einstellung stimmte und so war der Sieg unser!
Ein bisschen, wie wir hoffen, mag dazu auch unsere Choreo beigetragen haben. Gut fünf Monate Arbeit und eine nicht unerhebliche Summe an Kosten standen zu Buche, als wir am Freitag vor dem Derbytag mit dem Aufbau begannen. Wir starteten einen kleinen Probelauf, bei dem erste gravierende Probleme auftraten. Geschätzte 800 Kilo Material wollten mit Hilfe von wenigen, eingearbeiteten Seilen auf gespannten Leinen und Seilen bis in den Oberrang gezogen werden. Eine Herausforderung, welche so bis dahin weder erprobt noch realistisch eingeschätzt werden konnte. Der unbedingte Wille, unseren Teil zu allem beizutragen, war die Triebfeder hinter allem. Am Samstagmorgen, pünktlich um 8, wurde kurzerhand noch ein Großmarkt seiner Seile und Seilspanner erleichtert. Stunden später waren dann zahlreiche zusätzliche Seile gespannt und weitere Seile am Material angebracht. Die Hoffnung, dass alles klappen würde, war jedem anzusehen. Die Nervosität stieg erheblich. Doch als das Buch auf seinem Platz angekommen war, war alles verflogen und pures Adrenalin strömte durch die Adern. Die anfänglichen Spottgesänge aus Richtung unerwünschter Gäste, schienen doch recht deutlich zu verstummen und auch sonst, lief alles so, wie wir es uns erhofft hatten. Dass die von uns gewählte Musik zur Choreo viel zu früh startete und die Choreo nicht mit eben dieser endete, spielte da schnell keine Rolle mehr. Die vielen tausend Arbeitsstunden Tag und Nacht seit September, über Weihnachten und Neujahr hinweg, bis zur letzten Minute hatten sich gelohnt. Ihr, das Publikum, wart ebenfalls voll dabei. Die Pappen wurden zwar viel zu früh und danach nur noch recht spartanisch hochgehalten, dafür klappte es in der Kurve perfekt.
Daher geht unser großer Dank an euch alle, die ihr so fantastisch dieses Derby und die Choreo mitgestaltet habt. Ein Dank auch dafür, dass ihr die von uns eigens für das Derby angemietete Anlage so gut angenommen habt. Es war deutlich zu spüren, dass durch eine bessere Abdeckung und die dadurch resultierende bessere Koordination einiges mehr an Stimmung vorhanden war. Aus diesem Grund denken wir, dass auch diejenigen, denen dies eventuell etwas too much war, den Sinn dahinter vor ihre persönliche Abneigung setzen konnten.
Wir fanden es zwar schade, dass die etwa 1000 aufwändig gestalteten Doppelhalter trotz der Bitte, sie zusammengerollt im Block liegen zu lassen, fast ausschließlich mitgenommen wurden, werten dies im Nachgang allerdings als Kompliment für unsere Mühen.
Dass in der Folgezeit jedoch mehr über die Aktion zum Anfang der zweiten Halbzeit gesprochen bzw. geurteilt wird, empfinden wir mindestens als genauso unangemessen, wie Viele diese Aktion selbst. Tage und Nächte in der winterlichen Kälte, Schlafentzug, rauchende Köpfe und aufgeschürfte Knie sowie vieles mehr haben dazu beigetragen, dass in Bremen etwas Einzigartiges geschaffen wurde. Dass diese Mühen vielfach nicht mehr wertgeschätzt werden, sondern Hasstiraden über die Verursacher der Pyroaktion im Vordergrund stehen, oder gar haltlos behauptet wird, die Choreo wäre nur Mittel zum Zweck gewesen, trifft uns als Gruppen doch schwer. Wir werden hier nicht weiter auf das Thema Pyrotechnik eingehen, da jedem die Einstellung der aktiven Fans zum Umgang mit diesem Stilmittel bewusst sein wird. Dass jedoch mit Harakiriaktionen seitens Offizieller oder dümmlichen Sprüchen à la „Festnehmen und Einsperren diese Verbrecher“ in egal welche Richtung kein Blumentopf zu gewinnen ist, sollte sich eigentlich jedem halbwegs intelligenten Menschen erschließen. Wir selber wissen leider nur zu gut, dass Menschen, deren Leistungen nicht anerkannt und deren Gefühlswelten nicht ernst genommen werden, genau den Weg einschlagen, den sie doch bitteschön nicht zu gehen haben. Diese selbst erfüllende Prophezeiung ist dann die Umkehr dessen, was Hans und Franz eigentlich erreichen wollten, wenn es ihnen nicht zufällig nur ums Pöbeln geht.
Wir jedenfalls sind stolz auf diesen für uns Bremer denkwürdigen Tag, auf unsere Mannschaft, auf unsere vielen Helfer und euch Fans, deren Sinn, wie sich gezeigt hat, doch arg in Richtung Fankultur und der eigenen Identität im Verein Werder Bremen zu gehen scheint.
In diesem Sinne packen wir es weiter an. Auf allen Ebenen!
Eure Wanderers Bremen und HB Crew