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Statement zum Ligabetrieb und Geisterspielen

Moin Grün-Weiße,

nun ist es soweit, auch wir melden uns zu Wort. Die Bundesliga soll fortgesetzt werden – allerdings ohne Fans in den Stadien. Geisterspiele. Denn der Fussball soll in diesen Zeiten wieder Licht in die dunklen deutschen Wohnzimmer bringen.
So oder so ähnlich argumentieren die Funktionäre des Fußballs, der Politik und große Teile der Presse stimmen munter mit ein. Es wird eine System- bzw. gesellschaftliche Relevanz des Fußballs suggeriert, die so nicht existiert.

Nach nur zwei Monaten Spielpause liegt der Profifußball, der Milliarden von Euro Umsatz macht, dermaßen am Boden, dass seine weitere Existenz nur noch dadurch gerettet werden kann, dass der Spielbetrieb wieder aufgenommen und dabei in Kauf genommen wird, dass die Verbreitung des Virus wieder an Fahrt aufnimmt.

Die Bundesliga hat ein gigantisches Maßnahmenprogramm aufgestellt, inklusive massenhafter Testungen und Sicherheitsabstand, um den Spielbetrieb so schnell wie möglich wieder aufnehmen zu können. Koste es, was es wolle. Während die systemrelevanten gesellschaftlichen Bereiche und Berufe komplett unterfinanziert sind und um die Finanzierung jeder Schutzmaßnahme kämpfen müssen, werden dem Profifußball Privilegien zugestanden, die jede Verhältnismäßigkeit verloren haben.

Dabei ist der Profifußball selbst das Problem. Die uferlosen Spielergehälter, Ablösesummen, Beraterhonorare und TV-Gelder lassen die Finanzblase Fußball seit Jahrzehnten immer groteskere Formen annehmen. Und nun haben erstmals auch die Fußball-Funktionäre ihr wahres Gesicht gezeigt. Die Fortsetzung der Bundesliga und der Bestand der bis zum Obersten gefüllten Blase scheint wichtiger zu sein als die Gesundheit der Menschen, die Verantwortlichkeit des Fußballs als Vorbildfaktor oder die Fairness gegenüber den wirtschaftlichen Branchen und Bereichen, die durch die Pandemie tatsächlich am Boden liegen.

Wo bleibt denn die so oft propagierte Vorbildfunktion und soziale Verantwortung des Fußballs? Warum sollte der Profifußball diese privilegierte Rolle einnehmen dürfen, während Millionen von Menschen um ihre finanzielle Existenz bangen müssen? Während die Schulen notdürftig nur die Abschlussklassen unterrichten, dürfen sich die Fußballer wieder die Beine weggrätschen.  Während Kneipenbesitzer ihre Läden geschlossen halten müssen, müssen die Spieler wieder auf den Platz.

Die jetzige Krisensituation des Fußballs ist nicht coronabedingt, sondern hausgemacht und die Geldmaschine druckt nur weiter, wenn der Ball wieder rollt, auch ohne Fans. Doch ob das wirklich so sein wird, wird man noch sehen müssen, denn die gesellschaftliche Akzeptanz schwindet im Angesicht der Profitgier der Fußball-Millionäre. Es geht nicht, dass Spielerberater die Vereinskassen um Millionen erleichtern, Spielern die Gehaltsabrechnung wichtiger ist als die Punkte auf dem Konto der Vereine und das Sponsoren und PayTV immer mehr Einfluss in den Vereinen zugestanden wird und nicht zuletzt die 50+1 Regel immer öfter und stärker ausgehöhlt wird.

Was zählt im Fußball und was den Fußball ausmacht sind die Emotionen. Emotionen, die durch die Fans generiert und getragen werden. Doch wir Fans, die wir der Dreh- und Angelpunkt dieses „Wirtschaftszweiges“ sind, stehen außen vor und werden durch die Fortsetzung der Bundesliga endgültig ins Abseits gestellt und sollen zu Fernsehkonsumenten degradiert werden. Oder am besten noch für passive Unterstützung in den Stadien sorgen.

Wir können und werden, unter diesen Umständen die Geisterspiele „als notwendiges Übel“ nicht akzeptieren.
Wir lieben Werder und wollen natürlich gemeinsam mit dem Verein durch diese sportlich schwierigen Zeiten gehen. Doch die sportliche Realität rückt durch die momentane Situation in so weite Ferne, dass die Emotionen gänzlich abkühlen.

Außerdem unterstützt der SV Werder Bremen die Pläne der DFL vollumfänglich und kann daher bei unserer Kritik an der jetzigen Fortsetzung der Bundesliga nicht ausgenommen werden. Das Krisenmanagement der Geschäftsführung stößt dabei besonders übel auf. Es wird mit einer Initiative mit dem passenden Namen „Kurvenheld“ an das Gewissen der Fans appelliert, in diesen schweren Tagen, das Geld für die schon bereits gekauften Eintrittskarten nicht zurückzufordern. Wir sprechen uns dagegen aus, dem Verein diese Almosen zu geben und fordern jeden Werderfan auf es uns gleich zu tun! Behaltet das Geld, falls ihr es braucht, oder besser spendet das Geld an „Die Bremer Suppenengel e.V.“  oder an eine andere Organisation eures Vertrauens. Aber schmeißt euer Geld nicht denen hinterher, die sowieso genug haben bzw. falsch mit horrenden Summen gewirtschaftet haben.

Man könnte diese Krise nutzen, um den Bann des immer weiter, höher und schneller endlich zu durchbrechen. Dem Sport sein Gesicht zurückgeben und den Fans ihre Passion. Einzelne Stellrädchen zurückschrauben, Missstände korrigieren und es einfach mal besser machen, als in der Vergangenheit. Es muss uns klar werden, dass wir Fußballfans gerade am Hebel sitzen und dem Fußball, wie er sich heute darstellt, ein Schnippchen schlagen können, indem wir ihn gegen die Wand fahren lassen.

Um nicht falsch verstanden zu werden: wir lieben Werder und den Fußball, aber wir haben auch schon immer mit dem Finger auf die Missstände im Fußball gezeigt und das tun wir auch jetzt. Wir wollen nicht, dass Werder absteigt, wir wollen aber auch keinen Sport unterstützen, der seinen Profit über die gesellschaftliche Verantwortung stellt.

Wanderers Bremen im Mai 2020