Moin Werderfans,
nach einer langen Zeit melden wir uns mal wieder zu Wort. Auch das Jahr 2021 ist weiterhin von der Pandemie geprägt. Während wir alle uns nach wie vor in Verzicht üben müssen, rollt der Ball in der Bundesliga nahezu unbeirrt weiter. Die ungewohnte Geisterspielatmosphäre verkommt zum Dauerzustand und die Rufe nach den Fans in den Stadien werden immer nur dann lauter, wenn die finanziellen Aspekte bei den Meinungsmachern mitschwingen.
Wir haben gehofft, dass der Fußball sich in Demut zeigt und somit die Pandemie europaweit als Anlass fungiert, die Auswüchse der letzten Jahre und die dadurch unvermeidliche Entfremdung von uns Fans gemeinschaftlich zu korrigieren. Doch was können wir nach einem Jahr Pandemie konsterniert feststellen: In Deutschland wurde eine Fußball Task-Force gegründet, die ihren Versprechungen schuldig bleibt. Die UEFA hat eine Champions League Reform beschlossen, die eine sportliche Qualifikation über die nationalen Ligen ad absurdum führt und Dauerstartplätze für die Top Clubs ermöglicht. Zeitgleich wird die Gründung einer Super-League von 12 Top-Clubs angekündigt, um sie einen Tag später wieder aufzulösen. Jetzt könnte man fragen: Was interessiert uns eine Champions League Reform oder eine Super League? Davon sind wir sportlich in Bremen momentan meilenweit weg. Es zeigt aber einmal mehr stellvertretend, nach welchen Kriterien Entscheidungen im europäischen Fußball getroffen werden.
Währenddessen ist bei unserem SV Werder seit längerer Zeit das größte Nebengeräusch die finanzielle Schieflage. Erst kürzlich wurde sich mithilfe einer Landesbürgschaft ein 20 Millionen Euro Kredit gesichert. Damit ist der Verein nach eigenen Angaben bis zum Ende der Saison „durchfinanziert“. Doch dabei bleibt es nicht. Werder hat eine Anleihe gezeichnet, die bis zu 30 Millionen Euro an weiterem Kapital für die nächsten Jahre zur Verfügung stellen soll. Mit diesen sogenannten KMU-Anleihen suggeriert Werder nach außen, dass es sich explizit nicht um Fan-Anleihen handelt und keine “Goodies“ (wie Filbry es bezeichnet) an die Fans verteilt werden. Doch letzten Endes bestehen die einzigen kleinen Unterschiede zu Fan-Anleihen darin, dass es einerseits keine „Goodies“ für die Kapitalanleger geben wird und andererseits darin, dass Werder vorab schon größeren institutionellen Kapitalgebern die Möglichkeit für eine Geldspritze gegeben hat. Doch auch wenn diese Anleihen nicht als Fan-Anleihe betitelt werden, kann die emotionale Verbundenheit der Fans finanziell ausgenutzt werden. Insbesondere dann, wenn Werder es in den nächsten Jahren nicht schafft, sich wieder finanziell auf solide Beine zu stellen. Die Anleihen können bei den Fans nicht nur zu einem erheblichen Vertrauensverlust führen, sondern auch zu einer gravierenden Entfremdung zwischen Fans und Verein beitragen, da der Fan dadurch zum Geschäftspartner wird.
Hinzu kommt, dass bis jetzt nur sehr vage kommuniziert wurde, wie und wofür die Gelder der Anleihen verwendet werden. Soll das Geld der Anleihen in die Schuldentilgung, Kaderplanung, Jugendarbeit oder in ein mögliches Leistungszentrum fließen? Die Konditionen und die dezidierte Mittelverwendung bleiben bis dato undurchsichtig. Ob sich das ändert bleibt abzuwarten.
Es fehlt unserem Verein aber vor allem an Plan und Perspektive. Wo will Werder hin und wie will Werder seine Ziele umsetzen? Dass der Effekt einer Finanzspritze alleine sehr schnell verpuffen kann, sieht man an diversen Beispielen in der Bundesliga. Kann die Lösung von Schulden folglich sein, noch mehr Schulden zu machen? Nicht zuletzt das Beispiel der Fan-Anleihen dieses einen Vereines aus Hamburg sollte hier abschrecken. Die haben erst jüngst erneute Fan-Anleihen angelegt, um die Schulden aus deren Jubiläumsanleihe zu tilgen. So können Anleihen bei ungewisser sportlicher Perspektive zu einer Kettenverschuldung führen. Und wenn wir eins wollen, dann ist es nicht, sich an diesen Dorfklub von der Elbe zu orientieren.
Es wirkt wie der letzte Strohhalm, der ergriffen wird, um den totalen Kollaps zu verhindern. Aus dem laufenden Spielbetrieb können diese zusätzlichen Kosten wohl kaum bezahlt werden. Werder spielt folglich auf Zeit. In der Hoffnung, dass sich der Transfermarkt und die Einnahmen durch Fans und Sponsoren bis dahin erholt haben und somit das Geld für die Auszahlung in voller Höhe zur Verfügung steht.
Dabei sind diese Maßnahmen vor allem eines: feige. Werder sucht nicht die Konfrontation mit den Verbänden. Werder Bremen, ein Verein, der sich selbst als sozialer Verein bezeichnet und sich gerne als Vorreiter in sozialen Fragen rund um den Fußball gibt, wagt es nicht, der völligen Überdrehung des Fußballbusiness entgegenzutreten. Werder wagt es nicht, mit der nötigen Vehemenz für eine gerechte Verteilung der TV-Gelder einzutreten und Werder wagt es nicht, sich für vertretbare Fußballergehälter einzusetzen. Dabei könnte unser Verein die Zeiten nutzen und Stellung beziehen. Stellung für eine Deckelung der Spielergehälter, Stellung für eine gerechtere Verteilung der TV-Gelder und vor allem Stellung gegen die komplette Entfremdung der Wettbewerbe und des Fußballs im Allgemeinen.
Die gravierenden Fehlentscheidungen der Vergangenheit gepaart mit dem überdrehten Fußballbusiness haben zu diesem finanziellen Desaster geführt. Die Spitze des Eisberges sind die anhaltenden Diskussionen über einen Investor. Die bisherige Schieflage kann durch solide und sportlich erfolgreiche Arbeit wieder grade gebogen werden. Der Verein hat 100 % Entscheidungshoheit und kann sich daher selbst aus dieser Situation befreien. Durch den Einstieg eines Investors wäre diese Eigenständigkeit nicht mehr gegeben. Ein Entscheidungsträger mit einer rendite- und wertsteigerungsgetriebenen Sicht auf unseren Verein würde Einzug gewährt werden. Dieser Schritt wäre nicht zu korrigieren und alle involvierten Entscheidungsträger der Werder Bremen GmbH & Co KG aA sollten sich dies bewusst machen.
Wanderers Bremen