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CL-Reform, Super League und die Folgen für den Fußball

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Moin Werder-Fans,

was sind das für nervige Wochen als Fan des Fußballs und vor allem als Fan von Werder Bremen. Die Mannschaft holt seit Wochen keine Punkte mehr und wir schauen wieder einmal in den Rachen des Abstiegs. Zudem haben wir nicht einmal die Möglichkeit, unser Team in gewohnter Manier nach vorne zu schreien. Es existiert eine Gesamtsituation rund um unseren Verein, die uns nahezu ohnmächtig zurücklässt. Darüber hinaus sehen Werders Zukunftsaussichten absolut gruselig aus. Nichtsdestotrotz schauen wir auch in dieser schwierigen Situation über den Tellerrand hinaus. Die europäischen Verbände und ihre Funktionäre denken sich eine durchgeknallte Reform nach der anderen aus und zwingen uns zum Handeln.

Hatte man zu Beginn der vermaledeiten Pandemie noch die Hoffnung, dass die Vereine und Verbände sich ein Stück weit die vehemente Kritik, die von allen Seiten auf das überdrehte Fußballbusiness einschlug, zu Herzen nehmen, ist nun das genaue Gegenteil eingetreten. Super League, Reform der Champions League (CL), Euro League (EL) und dann noch diese – was auch immer das sein soll – Europe Conference League (ECL). Wir ersparen uns und euch an dieser Stelle die Einzelheiten der neuen Formate und wollen viel mehr unsere grundlegende Kritik hieran äußern.

Die Super League erst einmal außen vorgelassen; stellen die Reformen der CL, EL und die Einführung der ECL in erster Linie die Etablierung eines sehr unfairen Drei-Klassen-Systems des europäischen Fußballs dar. Diese Reformen sollen nach außen hin eine Durchlässigkeit und besondere Freundlichkeit auch für die kleineren Verbände suggerieren, indem sich die jeweiligen Sieger auch für den nächsthöheren Wettbewerb qualifizieren und dadurch, dass die ECL vor allem für die kleineren Verbände gedacht ist. Doch letzten Endes etablieren diese Reformen lediglich eine Verfestigung des bestehenden Ungleichgewichts zwischen den kleinen und großen Vereinen und kleinen und großen Ligen Europas.

Ziel dieser Reformen ist einzig und allein die Akquise von Geld, ganz viel Geld. So viel Geld, dass vermeintlich alle davon profitieren können. Aber falsch; das Geld geht nur an die Top-Klubs – die Vereine, die ohnehin im Geld schwimmen, die die fetten Investoren haben und dadurch seit Jahren, nein seit Jahrzehnten eh schon die ersten Plätze der europäischen Top-Ligen besetzten.

Wie absurd und von reinem Profitdenken diese ganze Angelegenheit gesteuert ist, zeigt nicht zuletzt die Einführung der Super League, die bis dato nur 42 Stunden bestand hatte. Die Champions League, die seit Einführung in ihrer heutigen Form 1992, ab dem Achtelfinale die immer wieder gleichen Vereine mit sich bringt, ist nichts anderes als eine „Super League“. Wann war das letzte Mal, dass von den etablierten Top-Klubs mal einen Ausreißer gab und ein Verein aus den kleinen Ligen oder ohne das große Investorenkapital im Rücken plötzlich den Weg in die letzten Runden der CL geschafft hat?

Damit das auch ja nicht passiert, wurde in der CL-Reform festgeschrieben, dass, falls der Fall der Fälle eintritt und sich einer der etablierten Top-Klubs mal eine schlechte Saison erlaubt und sich nicht für einen der Wettbewerbe qualifiziert, hier ein Rettungsschirm greift, der ihnen durch eine Hintertür dann doch die Qualifikation für die CL erlaubt.

Alles in allem führen diese ganzen Reformen nur dazu, dass die reichen Vereine und Funktionäre noch reicher werden und die armen Vereine arm bleiben. Da wirkt es fast so, als wäre die kurze Einführung und dann wieder Revidierung der Super League ein reines Ablenkungsmanöver von der Reform der CL gewesen. Der Empörungsschrei in ganz Europa war zu Recht gewaltig, doch verbleibt nun die Empörung über die CL-Reform eher ruhiger, stellt sie doch das kleinere Übel dar.

Aus rein marktwirtschaftlicher Perspektive im Sinne der Profitmaximierung stellen die Reformen in dieser Form einen absolut logischen Schritt dar. Mehr Spiele bedeuten mehr Geld, je hochklassiger die Kontrahenten, desto mehr Zuschauer vor den Fernsehern und umso mehr klimpert das Geld in den Kassen. Doch was hier übersehen wird – und das zeigt offenkundig, wie weit weg die Funktionäre der Verbände von den Fans in den Stadien sind – ist, wo der Fußball herkommt.

Der Fußball ist gewachsen durch harten sportlichen Wettbewerb, oft sehr ungewissen Ausgang, aus der Arbeiterschaft und zunächst ohne das große Geld. Der Fußball ist gewachsen durch die Leidenschaft der Spieler auf dem Platz und den Fans auf den Rängen, ohne dabei an jedwede Profitmaximierung zu denken. Natürlich war es im Verlauf der Geschichte unvermeidbar, dass sich der Fußball der kapitalistischen Logik unterwirft, doch dass dies dazu führt, dass nun alle Fairness und Wettbewerb, die unseren Sport auszeichnen, ad absurdum geführt sind, darf es nicht bedeuten.

Es braucht Reformen des europäischen Fußballs, aber bitte in die andere Richtung. Die Ligen und Wettbewerbe müssen gleiche Voraussetzungen für alle in gleichem Maße schaffen. Das heißt, es braucht eine europaweite faire Verteilung der TV-Einnahmen, die sich unabhängig von sportlichem Erfolg kennzeichnet. Es braucht eine faire Deckelung der Spielergehälter, die dafür sorgt, dass ein Spieler nicht direkt zum nächstbesseren Vertrag wechselt und dass sich die an die Spieler ausgezahlten Gehälter nicht fern aller gesellschaftlichen Realität finden. Wie kann es sein, dass ein einziger Spieler im Monat mehr verdient als eine gesamte Pflegekraftbelegschaft eines Krankenhauses?

Es braucht eine faire Verteilung der Startplätze für die CL auf ganz Europa, sodass nicht nur die Reals, Chelseas oder Bayerns sich Jahr für Jahr in den letzten Runden der europäischen Wettbewerbe wiederfinden. Damit auch die Nationen und Ligen mit ihrem vielfältigen und schönen Fußball und Fankulturen die Möglichkeit bekommen, die großen Pötte zu holen. Denn die europäischen Wettbewerbe haben sich gerade dadurch ausgezeichnet, dass per Losverfahren die ganz großen und unterschiedlichsten Vereine Europas gegeneinander spielen und dass nicht jedes Jahr, sondern selten und per Zufall. Und vor alle dem braucht es eine Reform der veralteten und mafiösen Strukturen der UEFA und der größeren Verbände Europas hin zu demokratischeren und transparenten Strukturen für die Fans und Vereine.

Wir appellieren an alle Fans des Fußballs: Bleibt kritisch, glaubt nicht den Lügen und Mythen der Verbände! Steht ein für unseren Sport, der sich nicht durch pervers hohe Spielergehälter, Ablösesummen und unfaire Wettbewerbsbedingungen auszeichnet!

Wanderers Bremen