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Nein zum Investor!

Wie es sportlich um den SV Werder Bremen in den letzten Jahren gestellt war, konnte man sehr gut anhand der Tabelle am Saisonende ablesen. Nicht so deutlich sichtbar war hingegen die schwerwiegende finanzielle Situation, in der sich unser Verein befindet. Obwohl der Verein seit Beginn der Pandemie sehr offen mit der Situation umgegangen ist, offenbarte letztlich erst das Prospekt zur Anleihe das tatsächliche Ausmaß der finanziellen Misere.

Dass die Pandemie Ihren Teil dazu beigetragen hat, wollen wir gar nicht infrage stellen. Vielmehr wird aus unserer Sicht aber ebenfalls deutlich, dass die Pandemie nur ein Brandbeschleuniger war. Fehlende Zuschauereinnahmen und geringe bis ausbleibende Transfererlöse sind die großen Posten, die die Planbarkeit und finanzielle Sicherheit der Vereine „urplötzlich“ gefährdet haben. Um sich finanziell einigermaßen über Wasser halten zu können, nahm man einen KfW-Kredit in Höhe von 20 Millionen Euro in Anspruch und zeichnete die Anleihe, zu der wir uns bereits in einem vorher veröffentlichten Text geäußert haben. Die Stimmungslage bei den Verantwortlichen im Verein macht aufgrund dieser prekären Situation den Eindruck, als sei das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht und die Bereitschaft für einen Investor ein gutes Stück gestiegen. Es wirkt sogar fast so, als wäre die finanzielle Schieflage und die damit einhergehende Stimmung ein willkommener Anlass, um endlich einen Investor an Bord zu holen und zwar mit dem Segen eines Großteils der Fans.

Das Thema „strategischer“ Investor geisterte die letzten Jahre immer wieder durch die Medien. Mit dem Amtsantritt von Filbry erhoffte sich der Verein durch seine Vernetzung und Erfahrungen große Fortschritte, suchte unter anderem in Fernost, kam aber glücklicherweise immer ohne Vollzugsmeldung zurück. Wir wollen mit dem folgenden Text aufzeigen, dass dieser Ansatz für den SV Werder Bremen unserer Meinung nach falsch ist, wenn nicht sogar gefährlich ist. Wir haben den Eindruck, dass vielen vor allem die Gefahren und Tücken eines „großzügigen“ Geldgebers ausblenden oder einfach nicht bekannt sind.

Es gibt verschiedene Aspekte, die wir bei einem Einstieg eines Investors im Hinterkopf behalten sollten. Einen dieser Aspekte haben wir in der Sommerpause 2019 mit dem Verkauf der Namensrechte am Weserstadion leidvoll miterlebt. Eine Immobilienfirma vom Arsch der Welt ohne jeglichen Bezug zu unserer Stadt und unserem Verein wird 10 Jahre lang jeden noch so kleinen Fleck im und rund ums Stadion nutzen, um für ihre kritikwürdigen Geschäfte Werbung zu machen. Der Einstieg eines Geldgebers ist folglich immer mit einer Gegenleistung verbunden. Wer Geld einpumpt, möchte auch mitbestimmen! Beim Stadionnamen haben noch viele drüber hinweggesehen, es sei schließlich nur ein „Vorname“, aber wo wird die Grenze gezogen?

Bei größeren Geldsummen könnte es dann auf einmal um die Vereinsfarben, das Logo oder – siehe Leipzig – auch um den Namen des Vereins gehen. Stück für Stück würde man seine Identität verlieren, um für einen Geldgeber Werbung zu machen. Darüber hinaus ist es auch bekannt, dass ein Investor seine Ideen und Vorstellung bezüglich verschiedener Positionen im Verein durchsetzen möchte. Wer besetzt den Aufsichtsrat, welcher Trainer soll engagiert werden oder welcher Spieler wäre aus Sicht des Investors eine Bereicherung. Solche Szenarien konnte man nicht unweit von Bremen zahlreich beobachten und am Ende des Tages hat es nur Unruhe in den Verein gebracht, wenn ein Geldgeber meint, er müsse Fußball Manager spielen.

Ein Investoreneinstieg würde auch zur weiteren Spaltung zwischen den Fans und dem Verein führen. Dabei ist es letztendlich egal, wer da kommt und sich in der Pauliner Marsch breitmacht, es würde auf jeden Fall zu einem weiteren Identifikationsverlust führen. Werder hat bei der Wahl eines strategischen Partners aus Sicht der Fans in den vergangenen Jahren schon oft genug danebengegriffen.

KIK mit seinen katastrophalen Arbeitsbedingungen als Textildiscounter, bwin ein Unternehmen aus dem Glücksspiel-/Wettbereich, Citybank als einer der Mitverursacher der Weltfinanzkrise 2008, der Massentierhaltungsmogul Wiesenhof oder auch Wohninvest ein Unternehmen, das mit Immobilien spekuliert und nicht unwesentlich zu dem krassen Anstieg von Mietpreisen beiträgt.

Glaubt denn ernsthaft jemand, dass bei der aktuellen Lage ein lupenreiner Investor einsteigen würde, der nicht sein Image mit dem noch gut angesehenen Verein Werder Bremen reinwaschen will? Aber am Ende des Tages spielt es auch keine Rolle, ob ein „gutes“ oder „schlechtes“ Unternehmen anklopft. Denn mit dem Investoreneinstieg würde man sich auch in Bremen nur noch weiter von der Basis entfernen. Die letzten Monate haben doch eindrucksvoll gezeigt, dass der normale Fan die immer weiter fortschreitende Kommerzialisierung und die absurde Ausschlachtung des Volkssports Fußball ablehnt!

Verhältnisse wie in England, wo hinter fast jedem Verein ein Investor steht, haben den Fußball dort für den normalen Arbeiter fast unbezahlbar gemacht und die englische Fußballkultur, wie man sie aus alten Zeiten kennt, findet man nur noch in den unteren Ligen. Denn eines ist doch auch klar, in erster Linie ist ein Investor natürlich an einer Gewinnmaximierung interessiert. Für sein Investment erhofft er sich eine Wertsteigerung im Verein. Sei es nun durch sportlichen Erfolg, Vermarktung von Spielern oder auch höhere Einnahmen im Ticketing, Catering oder Ähnlichem. Wo in der Vergangenheit vielleicht noch eher auf das Wohl der Fans geachtet wurde, stehen nun die blanken Zahlen im Fokus.
Ein Verein lebt durch das Engagement und die Mitbestimmung seiner Mitglieder und Fans – Investoren oder gar die Aufhebung der 50+1 Regel würden diesen Einfluss kippen.

Bedeutet denn mehr Geld nicht auch mehr Erfolg? Beispiele wie Uerdingen, Kaiserslautern oder Hamburg zeigen, dass dies nicht der Fall ist. Wer aufmerksam diese Vereine verfolgt hat, sieht, welch eine Unruhe dort herrschte und wer dann noch auf die Tabellen guckt, sieht das keiner dieser Vereine vor uns steht. Und das ist verdammt schwer (Hertha mal außen vorgelassen). Sportlichen Fortschritt nur mit mehr Geld zu verbinden ist daher falsch! Auch in Berlin wurden bereits über 200 Millionen Euro investiert und vom Big City Club gesprochen, zu sehen ist davon allerdings nicht viel. Sportlich befindet man sich wohl eher auf unserer Augenhöhe als mit Bayern und Co. Oder auch Uerdingen – dort ist viel Geld von Ponomarev in den Verein gepumpt worden, ebenfalls ohne Erfolg. Am Ende hat er das Interesse verloren und nun ist ein armenischer Investor eingestiegen. Wünscht man sich solche Szenarien für unseren SVW?

Statt immer mehr Geld für das Gehalt der Spieler oder die Honorare der Berater zu zahlen, sollte man anfangen, die Strukturen zu überdenken. Die Pandemie hat doch eindrucksvoll gezeigt, dass gewaltig was schiefläuft. Vereine mit Millionenumsätzen waren bereits nach kürzester Zeit in finanziellen Schwierigkeiten. Eine nachhaltige Ausrichtung mit moderateren Gehältern und die Stärkung der Jugendarbeit sollten viel eher das Ziel unseres SV Werder Bremen sein, als sich auf dem schnellen Geld durch einen Investor auszuruhen!

Der sportliche Abstieg muss nun ein Startschuss sein, den Verein wieder auf solide Beine zu stellen. Finanziell nachhaltig zu gesunden, eine kämpferische, attraktive Spielweise mit jungen, hungrigen Spielern, die alles für die Farben grün-weiß auf dem Platz geben. Hierzu muss eine Aufbruchsstimmung rund um den Verein spürbar sein und die Verantwortlichen müssen das Vertrauen der Fans haben. Ein Neustart, der nur in Verbindung mit der Identifikation der Fans nachhaltig erfolgversprechend ist. Um diese Identifikation zu rechtfertigen, sollte sich der Verein schnellstmöglich klar gegen einen Investor aussprechen und die Energien in den Aufbau einer soliden Basis stecken!